"Schon als Kind habe ich erkannt 'Hoppla bei uns läuft was anders'", gibt Josef Mühlmann - Küchenchef und Besitzer des traditionsträchtigen Gannerhofs im Osttiroler Villgratental - eine Kindheitserinnerung preis, die ihn geprägt hat. Das wurde ihm auch während seiner Zeit in der Berufsschule bewusst, als er Gewürze für seine Nachspeisen-Kreationen verwendet hat. Rosmarinparfait mit Preiselbeerschaum stieß damals auf wenig Anklang bei den Ausbildern. "Dass mich andere Leute einbremsen, hat mich in meinem Leben bisher am meisten gestört", äußert Mühlmann.
Stube Gannerhof
Doch betrachtet man seinen Werdegang und die Geschichte des Gannerhofs haben weder er noch seine Eltern sich davon abhalten lassen, neue Wege zu gehen und ihre Visionen umzusetzen. "Wir setzen seit 35 Jahren auf echte Regionalität. Erst in den letzten acht Jahren hat dieses Denken auch der Rest der Welt entdeckt", so Mühlmann, dessen Familie damit wahre Vorreiter war.
Schlipfkrapfen statt Hummer
Seine Kochlehre absolvierte er im Familienbetrieb, dessen Küchenchefin Josefs Mutter Monika war und damals bereits 2 Hauben verliehen bekommen hatte. Später arbeitete Josef in anderen Betrieben, wo Hummer, Jakobsmuscheln und Entenleberpasteten gekocht wurden. "Das hat für mich keinen Sinn ergeben, schließlich gibt es diese Produkte nicht im Alpenraum", erzählt der Küchenchef und Hobby Jazz-Musiker. Diese Ansicht teilten auch seine Eltern weshalb sie sich für eine andere Richtung entschieden: Mit den Bauern im Tal und Produzenten vor Ort haben sie eine ehrliche Partnerschaft begonnen, die bis heute sinnhaftig und fruchtbar von und für beide Seiten gelebt wird.
Rübenkraut mit Kochschinken
Standing Ovations für die 10 % mehr
Josef spricht mit ehrlicher Begeisterung von seinem Tun, auch oder gerade weil der Gannerhof ein handgemachter Betrieb sei, der viel Kraft erfordert. "Es ist auch ein sehr mystischer Platz zum Erschaffen. Kurz gesagt: Nichts ist normal hier, sei es die Küche, das Personal, oder auch die Architektur - alles ein bisschen ver-rückt", und darauf ist Josef sehr stolz und auch die Gäste wissen diese Besonderheiten sehr zu schätzen. Das bestätigt der begeisterte Applaus der Gäste beim Gala-Dinner - zwischen Steinpilzrisotto mit Sommertrüffel und Gorgonzola mit Blütenhonig. "Das ist ein supercooles Gefühl, eine Bestätigung für mein Tun, denn im Prinzip können wir nur 10 % anders machen bzw. gestalten als andere Betriebe und, dass wir das machen lieben die Gäste", freut sich der Vater von zwei Kindern.
Villgrater Lamm - eine Spezialität im Gannerhof
Verein & Kochbuch "Culinaria tirolensis"
Mit seinem Schaffen möchte er einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Region und Betriebe leisten, auch um mehr Gäste ins Tal zu ziehen: "Ich möchte eine Vorreiterposition einnehmen, wo andere zuschauen und nachmachen können wie es gehen könnte, ohne viel Geld zu investieren", zeigt Mühlmann motiviert seine Vision auf.
Das dürfte auch der Grund sein, warum er mit zwei befreundete Köche und einem Sommelier vor 5 Jahren gemeinsam den Verein "culinaria tirolensis" gegründet hat um das Pustertal grenzüberschreitend in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu rücken. "Mit dem Verein wollen wir eine Zusammenarbeit zwischen Südtirol, Tirol und Osttirol fördern. Wir haben das kulinarisch eingeleitet. Die Kooperation der betreffenden Tourismusverbände im Dolomitenraum und um das Interesse bei den jungen Tourismusschülern am Beruf zu beleben stehen dabei ebenso im Fokus, wie die Bewerbung der traditionellen Gerichte der produzierenden Bauern der Region", stellt Josef die Leitgedanken vor. Dazu haben die Vier gemeinsam vor kurzem ein Kochbuch unter dem Namen "culinarium tyrolensis" veröffentlicht. Neben 34 traditionellen Gerichten aus der Region - pfiffig interpretiert - hebt sich das Werk mit geschichtsträchtigen Fotografien von anno dazumal sowie kulturhistorischen Erzählungen von den bäuerlichen Produzenten des Hochpustertals hervor.
Buchcover von Culinarium tyrolensis
Das Villgratental - Reinster Natur-Genuss für Sportler
"Das Villgratental ist ein sehr lebenswerter, wunderschöner Fleck Erde mit 4 Jahreszeiten", schwärmt der passionierte Koch von seiner Heimat. Vermutlich auch deshalb zählt das Villgratental zu den beliebten und gehüteten Destinationen für Bergsteiger und Skitourengeher. Traumhafte Landschaftseindrücke und Naturbelassenheit ohne technische Aufstiegshilfen zeichnen dieses Tal aus. Ursprünglich im Vergleich zu sonst touristischen Alpenregionen.
"Wir ziehen gezielt Menschen an die naturbewusst sind. Sie wissen, dass die Witterung mit Regen, Sonne, Wind und Schnee dazugehören. Skitourengeher und Bergsteiger, die Ruhe & Entspannung von Stadt und Alltagsstress mit ursprünglicher Naturschönheit eintauschen wollen, finden hier ihre energetische Oase. Mit den beiden Bergsteigerdörfern Außer- und Innervillgraten und gesamt rund 1.700 Einwohnern hat sich das Villgratental eine Nische geschaffen für naturnahen, sanften Tourismus oder besser gesagt: Gastfreundschaft.
Sensationelle Skitour auf die Kreuzspitze mit Variantenabfahrt
Eine der vielen grandiosen Gipfelausblicke bietet die Skitour zur Kreuzspitze auf 2.642 m. Vom Ortsteil Kalkstein startet die 10,4 km Tour wo man innerhalb 3,5 Stunden den Gipfel erreicht. Belohnt wird man mit wundervollen Ausblicken auf die Sextner Dolomiten, den Alpenhauptkamm und zu den höchsten Bergen Österreichs: dem Großglockner und Großvenediger. Die detaillierte Tourenbeschreibung ist am Ende des Artikels angeführt. Alpinsport zählt nicht zu Mühlmann's Hauptaktivitäten, seinen Ausgleich findet er bei Musik, kochen und Zeit mit seiner Familie.
GourmetfestivalHochpustertal
Die Köche beim Gourmetfestival
Wer die Kochkünste von Josef Mühlmann und "Culinarium tyrolensis" selbst genießen möchte, sollte sich für das jährlich im Herbst stattfindende Gourmetfest mit der Auftaktveranstaltung im Gannerhof Plätze sichern. Dort präsentieren neben den drei Spitzenköchen, Internationale und Osttiroler Köche ihre traditionell-pfiffigen Kreationen gemeinsam mit edlen Tropfen von österreichischen Winzern.
REZEPT: Villgrater Schlipfkrapfen mit Nussbutter, Kasebolla & Schnittlauch
Als Vorgeschmack auf die Meister der Kochlöffel und Bratpfannen hat Josef Mühlmann eines seiner Lieblingsrezepte aus dem Kochbuch Culinarium tyrolensis preisgegeben:
Zutaten:
Schlipfkrapfen
120 g Roggenmehl
240 g Weizenmehl
2 EL Öl
250 g Wasser
3 EL Nussbutter
1 Daumenbund Schnittlauch
Salz
1 Stk. Kasebolla, eine lokale Osttiroler Spezialität, zu der es keine Alternative gibt. Es ist Frischkäse von der Kuh, leicht säuerlich und gibt es direkt vom Bauern. Dennoch ist es möglich, Parmesan als Ersatz zu verwenden.
Füllung
300 g mehlige Erdäpfel (Kartoffeln)
50 g Topfen (Quark)
4 EL Kürbiskernöl
4 Schalotten
100 g Bauernbutter
Frische Kräuter (Liebstöckel, Petersilie und Oregano)
Salz, Pfeffer, evtl. Muskat nach Geschmack
Zubereitung:
Den Teig mit den Zutaten vermengen und geschmeidig kneten Anschließend in Folie ruhen lassen.
Zwischenzeitlich Erdäpfel kochen und die Schalotten in einer Pfanne bräunen. Für die Füllung die noch warmen Erdäpfel pressen und mit den gebräunten Schalotten sowie den restlichen Zutaten vermengen.
Den Teig 1 bis 2 Millimeter dünn auswalken und mit einem 6 bis 7 Zentimeter großen Keksausstecher Formen ausstechen. Dabei ist zu beachten, dass an den Rändern der Formen nicht zu viel Mehl haftet, da sich sonst später die Krapfen nicht als Halbmonde verschließen lassen - im Villgratental sagt man "pitschen" dazu.
Die Krapfen in gesalzenem und leicht köchelndem Wasser einlegen. Wenn sie an der Oberfläche schwimmen, sind die Schlipfkrapfen fertig. Anschließend anrichten, mit dem Kasebolla sowie Schnittlauch bestreuen und mit heißer brauner Butter übergießen.
TOURENTIPP: Skitour Kreuzspitze (2.624)
Ort: Innervillgraten - Kalkstein (1.640 m) in Osttirol
Dauer: 3,5 h
Höhenmeter: 985
Strecke: 10,4 km
Anspruch: Leicht
Einkehrmöglichkeit: Badl-Alm am Ausgangspunkt der Tour
Aufstieg zur Kreuszpitze im Villgratental
Aufstieg
Vom Parkplatz in Kalkstein folgt man zuerst dem Forstweg Richtung Alfenalm. Kurz vor der Alm zweigt rechts ein weiterer Forstweg ins Roßtal ab, dem man in Richtung Nordwesten bis zum Talschluss folgt. Auf ca. 2.050 m wendet sich das Tal nach Nordosten und das Tourenziel Kreuzspitze wird erstmalig sichtbar. Weiter über offene Hänge, Mulden und Rücken bis zum steilen Schlusshang, der in einer langen Querung Richtung SO durchstiegen wird, zum Gipfelkreuz. Im Bereich des Schlusshanges ist auf Schneebrettgefahr zu achten.
Abfahrt und Einkehrmöglichkeit
Abfahrt wie Aufstieg. Einkehrmöglichkeit direkt am Ausgangspunkt der Skitour in der Badl-Alm.
Anfahrt in das Villgratental
Vom Pustertal in Osttirol nach Heinfels und dort auf die L273 in das Villgratental abbiegen. Taleinwärts vorbei an Außervillgraten und Innervillgraten bis zur Abzweigung Maxer. Dort links halten und weiter zum Weiler Kalkstein mit Skitourenparkplatz.